Nach einem Jahr im Amt zieht Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Bilanz: In ihrer Rede zur Lage der EU bezieht sie Stellung zu den aktuell größten Herausforderungen der EU und gewährt einen Ausblick auf zukünftig relevante Themen.
Ob es um die Bekämpfung der Corona-Pandemie, den Klimawandel, die Krise in Belarus, den Konflikt mit Russland, Migrationsfragen oder Digitalisierung geht - von der Leyen kündigte zahlreiche Initiativen an und forderte die EU-Staaten auf künftig proaktiver zu handeln: „Nur gemeinsam können wir gestärkt aus der Pandemie hervorzugehen, indem wir Chancen für die Welt von morgen schaffen, und nicht nur Notfallpläne für die Welt von gestern“. Der Wiederaufbaufonds NextGenerationEU soll für die Finanzierung diverser Projekte herangezogen werden.
Ihre Ankündigung das CO2-Reduktionsziel bis 2030 von bisher 40 auf mindestens 55 Prozent zu erhöhen ist aus meiner Sicht sehr ehrgeizig. Es kommt nun auf die Umsetzung an. Wir wollen dies mit marktwirtschaftlichen Instrumenten wie der Ausweitung des Emissionshandels erreichen. Auch Technologieneutralität ist hierfür wichtig, da die Elektrifizierung nicht allein die Lösung sein kann. Klimaneutralität ist machbar, muss aber ohne Verlust von Arbeitsplätzen und Industrieverlagerung möglich sein. Wir wollen Marktwirtschaft und möglichst wenig Ordnungsrecht.
Ursula von der Leyen kündigte zudem an, eine stärkere europäische Gesundheitsunion schaffen zu wollen. Konkret schlug sie hierfür eine neue EU-Agentur für biomedizinische Forschung und Entwicklung vor. Die Konferenz zur Zukunft Europas soll dabei in den kommenden zwei Jahren erörtern, wie die EU mit ihren 27 Mitgliedern im Bereich der Gesundheitspolitik auch in Zukunft handlungsfähig bleiben kann. Ich befürworte diesen Vorschlag grundsätzlich, dennoch müssen von der EU-Kommission gerade in der Bekämpfung der Corona-Pandemie nun weitere Impulse kommen. Die Coronakrise ist nach wie vor nicht überstanden. Zuletzt stieg die Zahl der Infizierten in einigen Mitgliedstaaten wieder stark an und der Flickenteppich bestehend aus Grenzschließungen, Reisebeschränkungen und unterschiedlichen Quarantäneverpflichtungen ist ineffizient. Wir brauchen schnellstmöglich einheitliche und klare Regeln in Europa. Die Kommission sollte dafür die treibende Kraft sein.
Von der Leyen kündigte in Ihrer Grundsatzrede an, dass die EU im Bereich Digitalisierung mithilfe der europäischen Cloud und von Milliarden-Investitionen in Supercomputer unabhängiger werden wird. Mit ihrer neuen Industriestrategie welche im März 2020 vorgestellt wurde, möchte die Kommission sicherstellen, dass die Europäische Industrie sowohl im ökologischen als auch digitalen Übergang eine weitweite Führungsrolle übernimmt.
Ein neuer Migrationspakt soll Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen bei der Flüchtlingsverteilung bringen, so von der Leyen. Sie kündigte an, dass darin Asyl- und Rückführungsverfahren enger verknüpft werden, Schleuser stärker bekämpft und der Außengrenzschutz forciert werden sollen. Die derzeitigen Krisen und Konflikte zeigen deutlich, dass wir endlich konkrete Vorschläge brauchen, um die Handlungsfähigkeit der EU nach außen zu stärken. Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik können dabei nur ein erster Schritt sein. So benötigen wir auch endlich eine gemeinsame europäische Strategie für den Umgang mit Drittländern.