Bauprodukte sind die Eckpfeiler von Gebäuden und Infrastrukturen, in denen wir statistisch gesehen mehr als 80 Prozent unserer Zeit verbringen. Sie stehen an der Basis der Wertschöpfungskette des Bau-Ökosystems, das für 904 Mrd. Euro der Wertschöpfung und 18 Millionen direkte Arbeitsplätze in Europa steht. Um den freien Warenverkehr von Bauprodukten zu gewährleisten, sowie den Unternehmen und Herstellern den reibungslosen Handel in Europa zu ermöglichen, braucht es einheitliche Regeln und Anforderungen. Seit Juli 2013 gibt die Bauproduktenverordnung den entsprechenden Rechtsrahmen vor. Dieses System der technischen Regulierung und Normung hat sich als großer Katalysator für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation bewiesen.
Doch dieses System gerät seit einigen Jahren ins Wanken: Von 444 vorgelegten harmonisierten europäischen Normen für Bauprodukten haben es gerade einmal 12 in den letzten vier Jahren in das Europäische Amtsblatt geschafft. Seit mehr als zwei Jahren wurde keine einzige harmonisierte Norm mehr veröffentlicht. Das hat fatale Folgen für den Bausektor: die fehlende Veröffentlichung von neuen Normen hält nicht mehr mit den technologischen Entwicklungen im Bausektor Schritt. Der Regelungsbedarf steigt und die Rechtsunsicherheit für Unternehmen, Bauherren, -unternehmer, Planer und Architekten nimmt stetig zu.
Gerade vor diesem Hintergrund und auch der Covid-19 Pandemie, die auch vor dem Bausektor keinen Halt gemacht hat, gilt es schnell Lösungen zu finden. Ich begrüße daher, dass die EU-Kommission angekündigt hat, die Bauproduktenverordnung bis Ende dieses Jahres zu überarbeiten. Die Kommission sollte dabei auf eine Kombination aus kurzfristigen Maßnahmen zur Beseitigung des Normenrückstaus und langfristigen, praktikablen Lösungen setzen. Dabei sollten wir auf eine starke Einbindung aller Interessensvertreter setzen. Am Ende des Tages sind es unsere Planer, Hersteller, Normer und Unternehmen, die mit der überarbeiteten Bauproduktenverordnung arbeiten werden. Gerade auch für die Übergangszeit müssen wir sicherstellen, dass es weiterhin alternative Normungsmethoden zu den Europäischen Normungsorganisationen (CEN/CENELEC) gibt. Auch müssen wir die Marktüberwachung von Bauprodukten verbessern. Wir brauchen die gleichen Wettbewerbsbedingungen im gesamten Bausektor für alle Bauprodukte, egal ob sie online, offline oder aus Nicht-EU-Ländern angeboten werden.
Die angekündigte Revision bietet aber auch große Chancen, die Bauproduktenverordnung fit für die Zukunft zu machen. Gebäude und deren Infrastruktur sind ein bedeutendes menschengemachtes Rohstofflager. Bei der Beschaffung und Herstellung von Bauprodukten sollte daher insgesamt ein nachhaltiger Übergang vollzogen werden. Digitale Tools könnten helfen Überschneidungen und doppelte Informationen auf Bauprodukten zu vermeiden und für mehr Transparenz für den Endnutzer zu sorgen. Die überarbeitete Bauproduktenverordnung könnte den geeigneten Rechtsrahmen dafür bieten.
Der Link zu meiner Rede im Plenum: Plenary session - Multimedia Centre (europa.eu)