Fast 130 Liter Abwasser spülen wir in Deutschland pro Kopf und Tag in den Abfluss, verschmutzt mit Putzmittel, Ausscheidungen, Duschgel und vielem anderem. Ohne Kläranlagen wäre die Natur mit dieser Menge an verschmutzten Wasser völlig überfordert. Die Folge wäre trübes, grünes Wasser mit einem reduzierten Sauerstoffgehalt, das sowohl Ökosysteme gefährdet als auch Gesundheitsprobleme verursacht.
Bereits jetzt erfolgt die Abwasserreinigung in Kläranlagen daher in drei Stufen, bevor das gereinigte Wasser in Gewässer geleitet und zurück in den natürlichen Wasserkreislauf gerät. Doch viele Arzneimittel, Kosmetika, Farbstoffe, Reinigungsmittel und andere Haushalts- und Industriechemikalien sind im Wasser gelöst und können durch die konventionelle dreistufige Kläranlage nicht herausgefiltert werden.
Nach mehr als drei Jahrzenten ist es daher höchste Zeit, die EU-Kommunalabwasserrichtlinie aus dem Jahr 1991 zu überarbeiten und an die gegenwärtigen Herausforderungen anzupassen. Ein wichtiges Anliegen war mir dabei, dass wir eine ausgewogene Balance zwischen Umweltzielen, Bezahlbarkeit und praktischer Machbarkeit auf kommunaler Ebene erzielen. Unverhältnismäßige Informationspflichten für die Öffentlichkeit oder eine Beweislastumkehr, die zu einer Flut von Sammelklagen bei den Behörden führt, halte ich nicht für zielführend.
Stattdessen sollten wir uns auf das wesentliche Ziel der Richtlinie konzentrieren: die effiziente Reinigung des Abwassers. Mit der Einführung einer vierten Reinigungsstufe werden wir unser Wasser in Zukunft vor Mikroschadstoffen schützen. Angesichts der Tatsache, dass etwa 92% der toxischen Schadstoffe im Abwasser aus der Pharma- und Kosmetikbranche stammen, sollen diese Branchen in Zukunft an den Kosten der Abwasserreinigung beteiligt werden. Auf diese Weise werden Verursacher von Gewässerbelastungen in die finanzielle Verantwortung genommen und Anreize geschaffen, um Verunreinigungen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Zudem werden wir das Potenzial der Abwasserbehandlungsanlagen zur Energieerzeugung besser nutzen, indem wir die Energieneutralität des Abwassersektors bis 2040 anstreben. Wichtig ist dabei, dass Kläranlagen, die aufgrund Ihrer örtlichen Voraussetzungen nicht in der Lage sind, ihre Energie selbst zu erzeugen, die Möglichkeit erhalten, Strom aus Erneuerbaren Energien von externen Quellen zu beziehen.