Dumpingpreise, fragwürdige Vermarktungsstrategien: Warum die EU-Zollreform jetzt kommen muss

In der heutigen digitalen Handelslandschaft erleben wir eine Flut von Angeboten, die kaum zu übersehen ist: T-Shirts für 5 Euro, Jacken für 7 Euro oder Kinderplüschtiere für wenige Cents – Plattformen wie Temu und Shein setzen aggressive Vermarktungsstrategien und Dumpingpreise ein, um unsere europäischen Märkte zu überfluten. Allein die chinesische Plattform Temu hat in den vergangenen sechs Monaten so viele neue Kunden dazugewonnen, wie viele andere Onlinehändler in sechs Jahren nicht. Im Jahr 2023 exportierten Temu und Shein zusammen täglich mehr als 9.000 Tonnen Fracht nach Europa – allein für den deutschen Markt bedeutet das 400.000 Pakete jeden Tag.

 

Doch diese unlauteren Geschäftspraktiken stellen eine erhebliche Bedrohung für unsere europäischen E-Commerce-Unternehmen, aber auch unsere Geschäfte in den Innenstädten dar. Während sich unsere heimischen Händler an strenge europäische Vorschriften zu Produktsicherheit, Arbeitsbedingungen, Nachhaltigkeit, Urheberrecht und Datenschutz halten, ignorieren Temu und Shein diese systematisch. Laut einer Erhebung des Verbands der Europäischen Spielzeugindustrie entsprechen über 95 Prozent der von Temu vertriebenen Spielzeuge nicht den EU-Vorschriften, enthalten gesundheitsschädigende Stoffe oder sind mit einem fehlerhaften oder gefälschtem CE Kennzeichen versehen.

 

Die Konsequenzen? Eigentlich mangelt es nicht an Vorschriften, sondern an deren konsequenter Durchsetzung. E-Commerce-Plattformen wie Temu oder Shein nutzen geschickt Lücken in der Marktüberwachung aus. Unzureichende Zollkontrollen und fehlende Vernetzung beim Datenaustausch innerhalb Europas begünstigen die massenhafte Einfuhr von Waren mit geringem Wert. Obwohl das europäische Zollrecht einheitlich angewendet werden sollte, gibt es nach wie vor 27 unterschiedliche Zollsysteme, und Marktaufsichtsbehörden sind national unterschiedlich stark ausgestattet. Die aktuell noch diskutierte EU-Zollreform, die ab 2028 in Kraft treten soll, ist ein wichtiger Schritt, um auch Waren unter einem Wert von 150 Euro stärker zu kontrollieren. Diese bleiben bisher zollfrei, wodurch Risikoprodukte aus Billig-Plattformen häufig unentdeckt bleiben. Eine schnelle Einigung im Rahmen der Trilogverhandlungen ist deshalb entscheidend. Um fairen Handel zu gewährleisten, müssen wir außerdem unsere Marktüberwachungsbehörden mit mehr Personal und modernen digitalen Systemen ausstatten, um die Einhaltung der neuen Vorschriften wie des DSA (Digital Services Act) sicherzustellen. Es geht dabei nicht um Protektionismus, sondern um faire Wettbewerbsbedingungen, wo alle Anbieter auf Augenhöhe am Markt agieren und die sowohl den lokalen Handel als auch unser europäischen E-Commerce-Plattformen unterstützen.